VEB Automobilwerke Ludwigsfelde
"START" – Die Wende (in) einer Betriebszeitung (02)
- Teil 1: Abstimmung mit den Füßen (August/September 1989)
- Teil 2: Machtwechsel an der SED-Spitze (Oktober 1989)
- Teil 3: Das 1. Sonntagsgespräch der Automobilwerker [in Vorbereitung] [Weitere Beiträge in Vorbereitung]
Teil 2: Machtwechsel an der SED-Spitze (Oktober 1989)
Wenige Tage später, in der Ausgabe vom 25. Oktober 1989, nahm im "Start" ein Parteigruppenorganisator aus dem Bereich Erzeugniskonstruktion zur Rede von Egon Krenz Stellung: "Die personelle Umbildung an der Spitze des Zentralkomitees im Ergebnis der 9. Tagung war ein längst fälliger Schritt. Die Rede von Egon Krenz signalisiert den Wendepunkt, sie erfüllt aber auch die hohen Erwartungen noch nicht ausreichend. Ich betrachte sie als Appell, auch an die Techniker, Ingenieure und Konstrukteure, mitzuhelfen, den Dialog offen zu führen, um Wege aus der gegenwärtigen Situation zu finden. Schnelle Lösungen müssen folgen. (...) Bis zum 19. Oktober 89 war für uns [Konstrukteure] nicht erkennbar, wie und mit welchen Mitteln das Leistungsprinzip durchgesetzt, schnell wesentlich bessere Waren ins Angebot kommen, die Frage der Reisemöglichkeiten, zweite Währung, Intershop gelöst werden soll. Die Fernsehdiskussion im Ergebnis der von Egon Krenz eingeleiteten Wende läßt nun Wege im Ansatz erkennen."
Gleichzeitig mahnte er aber auch "schnelle Entscheidungen und Reaktionen" von der Betriebsleitung an, um die Produktion im AWL stabiler und besser zu gestalten: "Wie sind uns für Produktionseinsätze nicht zu schade, aber sie dürfen nicht Regel und Normalität sein. (...) Es geht einfach nicht mehr, die Ersatzteilforderungen seit Jahren nicht zu erfüllen, dafür aber nicht dem internationalen Stand und den Bedarfsforderungen entsprechende NKW [Nutzkraftwagen] zu produzieren, mit überdurchschnittlichem Aufwand, viel Nacharbeit, in schlechter Qualität für hohe Löhne. Wir wollen und müssen schnell bessere NKW entwickeln, die gebraucht und absetzbar sind."
Nicht minder kritisch äußerte sich eine Woche später in der Ausgabe vom 1. November 1989 ein Fahrzeugschlosser aus der L60-Produktion: "Im Ergebnis politischer Ereignisse in der DDR sind mit der Wahl eines neuen Generalsekretärs und der durch ihn abgegebenen Erklärung noch rechtzeitig Schritte eingeleitet worden, um eventuellen Spekulationen vorzubeugen. Meines Erachtens kommt diese Entscheidung etwas zu spät. Hätte man sich nicht schon in Durchführung des XI. Parteitages [d.h. im April 1986] mit Veränderungen im Kaderbereich befassen müssen? (...) Werden wir die gegenwärtig angespannte Lage dazu nutzen können, einem Großteil der Bevölkerung Lösungswege aufzuzeigen? Als sehr wichtig erachte ich solche Schwerpunkte wie: Respektierung der Meinungsbildung von unten nach oben, offene Führung eines innenpolitischen Dialoges, Mut zur Wahrheit, reale Einschätzung der Lage, Aufbau eines gewachsenen Vertrauensverhältnisses zwischen Partei und Volk."
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